Produzentin Gabriele Lechner im Interview
Sie sind seit 20 Jahren die Initiatorin und Veranstalterin des Camgaroo Award - entstand aus diesem Hintergrund heraus auch die Zusammenarbeit mit Mark Lohr?
Ja, genau. Fünf Jahre ist es jetzt her, dass Mark Lohr den Camgaroo Award in der Kategorie Spaß / Comedy gewann. Während dieser Zeit hielt er mich immer über seine Projekte am Laufenden. Manchmal hörte ich Monate nichts von ihm und dann kam plötzlich wieder eine Einladung zur Premiere eines neuen Kinofilm, den er in Rekordzeit und ohne Budget gefertigt hatte. Und immer betonte er, welche wichtige Stufe der Camgaroo Award in seinem Leben als Filmschaffender eingenommen hatte.
Genau dafür hatte ich vor 20 Jahren den Camgaroo Award ins Leben gerufen. Ich wollte jungen freien Filmemachern eine Spielwiese bieten und sie dazu animieren selbst schöpferisch tätig zu werden und sich nicht nur von den Medien berieseln zu lassen.
So hatte sich im Laufe der Jahre um mich herum ein Netzwerk aus vielen Independent Filmemachern gebildet und mit nicht wenigen von ihnen verband mich ein fast freundschaftliches Verhältnis und einigen stand ich mit Rat und Tat und manchmal auch mit finanzieller Hilfe zur Seite, wenn es darum ging, ihre Filmprojekte umzusetzen.
Kontakt und Ansprechpartner:
Gabriele Lechner, Camgaroo Productions, Tel. 0171-3649836, g.lechner(at)camgaroo.com
Interview frei verwendbar - bitte senden Sie uns ein Freiexemplar oder einen Link der Veröffentlichung zu.
Wie kommen Sie darauf einen Bayerischen Western zu drehen?
Es war Ende Juli 2020 - Mein Kuba-Filmprojekt für das ich bereits einen Ko-Produzenten in Kuba gefunden hatte, lag wegen der Corona-Maßnahmen auf Eis - für unabsehbare Zeit wie es schien.
Ein neues Filmprojekt musste her, ein regionales - eines, das man im Umkreis drehen konnte. Während ich noch meine mir vorliegenden Drehbücher und Exposés studierte, welches sich dafür eignen könnte, erreichte mich eine WhatsApp von Mark:
„Hey Gabi, wir haben vor einen Bayerischen Western zu drehen, fällt Dir jemand ein, von dem wir Unterstützung bekommen könnten.“
Einen Bayerischen Western, davon hatte ich auch schon geträumt. Als „alter Indianer“ war ich dem Western Genre schon immer besonders verbunden. Ein Fingerzeig des Schicksals. Noch in der gleichen Stunde schrieb ich ihm zurück, dass ich selbst großes Interesse an diesem Projekt hätte. Die Woche darauf trafen wir uns und er stellte mir sein Exposé vor. Es war ungewöhnlich, witzig, unkonventionell und fantasiereich.
Das war mein Film, den ich produzieren wollte mit allen Konsequenzen in dieser unberechenbaren Corona-Zeit. Ich sagte Mark meine volle Unterstützung zu, aber ich wollte nicht nur als Geldgeber dabei sein, sondern meine Erfahrungen in allen Bereichen einbringen. Mark und ich verstanden uns auf Anhieb und nun verging kaum ein Tag, an dem wir nicht miteinander kommunizierten - immer mit großem Respekt und auf Augenhöhe.
Wie finanzieren Sie das Projekt?
Nachdem das Drehbuch fertig gestellt war, stellte ich mit meiner Camgaroo Productions GmbH, die ich extra für Filmprojekte gegründet hatte, Förderantrag beim FFF-Bayern im Bereich „Anderer Nachwuchs“. Das Projekt war einfach zu spannende und zu einzigartig und dazu noch mit 100 % Bayernanteil. Ich konnte es nicht fassen, als wir eine Ablehnung erhielten, schriftlich und ohne Begründung.
Die Ablehnung hatte zur Folge, dass mein Allgäuer Sturschädel auf Hochtouren lief und ich beschloss, es nun erst Recht zu produzieren und wenn ich meinen letzten Cent in diesen Film investiere. So gesehen war die Absage nur noch mal ein Ansporn für mich, zu zeigen, dass man Filme auch ohne Fördergelder mit viel Engagement, Eigenkapital, viel Engagement, klugen Kooperationen und einem tollen Team im Rücken produzieren kann. Natürlich Risikofreude gehört dazu, aber „No risc, no fun“.
Ganz nebenbei entstand ein Filmprojekt nach den Vorgaben des Green Filming Konzepts, weil wir alleine aus optimaler Ressourcen-Ausschöpfung die Vorgaben erfüllten, wie z.B. Drehorte im Umfeld und mit nur wenigen PKWs befahren, jeder bringt sein eigenes Geschirr und Becher mit, Catering mit Bioprodukten hausgemacht use., LED-Leuchten mit minimalem Stromaufwand, um nur ein paar zu nennen.
Was halten Sie von der Filmförderung speziell in Bayern?
Grundsätzlich stehe ich jeder Art von Förderung erst mal kritisch gegenüber, weil sie im Grunde immer Ungleichgewicht schafft. Egal, ob man die regionalen Filmförderungen oder die Deutsche Filmförderung ansieht. Bis auf wenige Ausnahmen werden oft die immer gleichen erfolgs-versprechenden Filmgenre bedient und die selben Produktionsfirmen gefördert.
Hier gehört meiner Meinung nach dringend eine Reform her. Sollte der Deutsche Film wieder mehr internationalen Erfolg haben, so müssen wir Diversität fördern.
Die Digitalisierung ermöglicht eine Demokratisierung in der Filmkunst, die zur Zeit in vollem Gange ist, aber bei den Filmförderungen zum großen Teil noch nicht angekommen ist.
Durch die neue digitalen Möglichkeiten, die heute zur Verfügung stehen, wird es möglich, seinen Kinofilm bei genügend Begabung und technischem Know-how praktisch im Wohnzimmer zu produzieren.
Das bedeutet nicht, dass nun jeder, der einen Computer und eine Videokamera bedienen kann, dann auch eine Filmförderung erhalten sollte. Im Gegenteil, die Independent-Filmemacher müssen ihr Können unter Beweis stellen, noch viel mehr als jeder Filmhochschüler. Aber wenn sie das tun (wie z.B. durch Nominierung bei Wettbewerben wie dem Camgaroo Award oder anderen Filmpreisen) dann sollten sie genau so förderungswürdig sein, wie ein Student.
Filmemachen ist eine Kunst, die sich aus dem Menschen heraus entwickeln sollte, ohne allzu großen Einfluss und Vorgaben von Dozenten, Redaktionen oder sonstigen Aufsichtspersonen.
Denn nur dann kann Vielfalt entstehen. Die Geschichten, die Ideen, die innovativen Umsetzungen, das Spielen mit den digitalen Möglichkeiten, neue Wege gehen, ein Thema mal anders angreifen oder einfach etwas Verrücktes wagen, das sollte gefördert werden und zwar unabhängig von irgendwelchen Zertifikaten oder anerkannten Studien, von schulischem, kulturellem, gesellschaftlichem oder sonstigem Background der Filmemacher, sondern alleine orientiert am Können, an den Ideen und am Geleisteten. Daraus können neue international bedeutende Filme entstehen. Filmemachen ist eine Kunst und bedarf der Freiheit!
Aber um nochmals auf Ihre Frage zurück zu kommen. Wir in Bayern haben mit unserem Förderrahmen von ca. 40 Millionen Euro ein hervorragendes Werkzeug um gute Filme drehen zu können. Und auch die Förderberater sind sehr engagierte Menschen, die sich einsetzen und gute Arbeit leisten.
Im Fördergremium, das letztendlich über die Förderung entscheidet, sollten allerdings auch unabhängige Menschen sitzen, die Ahnung von der Independent-Film-Szene haben, dann hätten vielleicht auch wieder mehr innovative Projekte eine Chance, die kommerziellen und internationalen Erfolg haben könnten.
Ich halte auch den Trend, mehr große Projekte mit vielen Millionen zu fördern, nicht unbedingt für zielführend. Das kann in dem ein oder anderen Fall passen und gut sein, aber gleichzeitig sollte man im Independent-Bereich neue Möglichkeiten und Freiheiten der Förderung schaffen, um wirkliche Vielfältigkeit zu erschließen. Außerdem wäre es meiner Meinung nach empfehlenswert, die Produktions- und Verleihförderung mehr voneinander abzukoppeln.
Wie ging es nach der Ablehnung durch die Filmförderung von „Hopfen, Malz und Blei“ weiter?
Nach der Ablehnung durch den FFF-Bayern hatten wir die vorher erwähnte Freiheit, das war das Positive daran und das haben wir dann auch in vollem Umfang genossen. Wir waren nur uns selbst Rechenschaft schuldig und das ist Freiheit pur. So macht Filmdrehen Spaß.
Nachdem wir das Drehbuch einige Male überarbeitet hatten und für das notwendige Equipment gesorgt war, wobei uns Firmen wie Magic Multi Media und Atomos unterstützten, starteten wir am 08. November 2020 unseren Dreh in Neumarkt-St. Veit in Oberbayern an einem alten ausrangierten Bahngleis mitten im Wald. Es war bitter kalt und wir drehten bis in die späte Nacht hinein.
29 spannende Drehtage sollten folgen. Corona-Maßnahmen und Hygienevorschriften, geschlossene Locations sowie massenweise Schnee und klirrende Kälte stellten uns vor große Herausforderungen und so dauerte der Dreh bis in den späten Frühling hinein. Alleine die Erlebnisse während der Dreharbeiten ließen ein ganzes Buch füllen.
Apropos Indianer, haben Sie keine Angst vor „indigenem“ Widerstand?
Nein, wir haben unser Drehbuch extra nochmals umgeschrieben um Indianer nicht zu verletzen und uns in dieser Hinsicht auch beraten lassen. Grundsätzlich zollen wir allen Charakteren in unserem Film Respekt. In „Hopfen, Malz und Blei“ „menschelt“ es und das kommt durch die Schauspieler und die Ausstattung sehr authentisch rüber. Wir bedienen natürlich Klischees, um sie aber kurz darauf wieder komplett aufzulösen. Der Film lässt sich nicht in irgendeine Form pressen, ist frech und unkonventionell.
Im Grunde könnten sich natürlich alle über „Hopfen, Malz und Blei“ aufregen - die Weißen, die Indianer, die Männer, die Frauen, die Bayern, die Preußen. Aber Film ist Kunst und da müssen gewisse Freiheiten erlaubt sein und ein wenig Humor kann niemandem schaden. Uns ist wichtig, dass wir zeigen, dass wir letztendlich doch alle Menschen sind und uns gerade durch unsere Diversität gegenseitig bereichern können. Niemand sollte sich selbst zu ernst nehmen. Außerdem bauen wir eine komplette fiktive Welt auf und mischen die Kulturen, die es in dieser Art so nicht gab. Es gibt weder die Bayern noch die Indianer in Bayern in der realen Welt, so wie unser Film es zeigt. Es ist eben ein Film - keine Realität.
In „Hopfen, Malz und Blei“ gibt es auch nicht die typisch Bösen und die Guten - alle haben so ein bisschen beide Seiten in sich. Im Grunde meint es jeder auf seine Weise gut, aber tritt damit auch in die Fettnäpfchen der anderen. Das macht den Film so spannend und untypisch, aber auch so menschlich auf positive Art. Negative mehr oder weniger reale Nachrichten haben wir ja zur Zeit genug, da möchten wir schon einen Gegenpol schaffen.
Wie sind Sie mit den Corona-Maßnahmen umgegangen?
Ich habe das große Glück einen Sohn zu haben, der Betriebsarzt ist und deshalb mit den Corona-Maßnahmen sehr vertraut ist. Mit ihm arbeitete ich unser Hygiene- und Schutzkonzept aus. Das hat super funktioniert und wir hatten in unserem Team intern keinen einzigen Coronafall oder gar -ausbruch während der Dreharbeiten.
Hatten die Corona-Maßnahmen auch positive Auswirkungen auf Ihren Dreh?
Ja, wie immer hat eine Medaille zwei Seiten. Wir wollten z.B. in einer Westernstadt drehen, die aber wegen Corona alle geschlossen hatten. Durch Zufall fand ich im Internet dann Billy Reichsöllner mit seiner Eventkulisse. Er hatte in seiner Scheune eine komplette Westernstadt-kulisse, die wir in Neuhaus am Inn gemeinsam mit ihm aufbauten und bespielten. Er vermittelte uns auch den Kontakt zu Chris Schenk von Wild West Entertainment, der uns mit den authentischen Indianerkostümen und -Requisiten unterstützte und uns sein Stuntensemble zur Verfügung stellte.
Ihr Fazit zu den Dreharbeiten?
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir als Team eine anstrengende, anregende und fantastische Zeit hatten. Wir sind oft bis an die Grenzen der Belastbarkeit gegangen, aber haben diese nie überschritten. Jeder im Team hat sein Bestes gegeben und keiner war sich zu schade, auch mal für den anderen einzuspringen. Wir drehten in den Bergen, auf schmalen Brücken, im Deutschen Museum, am Stadtrand von München, am Inn, in vielen Niederbayerischen Städten, bauten Kulissen auf und integrierten Pferde und Esel.
Zielsicher inszenierte Mark Lohr die Sequenzen und setzte seine eigene Bildsprache in Szene und wir alle unterstützten ihn dabei.
Und herausgekommen ist ein Film, der einfach „sehenswert“ ist, mit starken Bildern, der die Freiheit widerspiegelt, die wir beim Drehen hatten, der mit viel Herz, Charme und Action die Menschen erfreuen und sie mit guter Laune aus dem Kino entlassen soll. Denn das ist es, was wir gerade am meisten brauchen. Das Gefühl von Freiheit, Wärme, Menschlichkeit und Miteinander.